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Sanieren ist das Gebot der Stunde - BM Arch. DI Dietmar Koch

Drei Prozent aller alten Gebäude sollten jedes Jahr thermisch saniert werden, davon ist Österreich weit entfernt. Derzeit wäre eine thermische Sanierung erst in 70 Jahren erreicht. Das ist zu spät, sagt der Architekt Dietmar Koch.

 

Wenn Sie sich im städtischen wie ländlichen Bereich in der Steiermark umsehen: Was ist Ihre Bilanz in puncto Bauen?
In Graz wurden in den letzten Jahren zahlreiche große Wohnbauprojekte umgesetzt, hier liegt vorübergehend eine gewisse Sättigung des Wohnungsmarktes vor. Im ländlichen Bereich kann man eine starke Entwicklung im gewerblichen Bereich feststellen, leider meist ohne jegliche Qualität und ökologische Begleitmaßnahmen und mit einer unglaublichen Versiegelungsdichte umgesetzt. Dabei ist Entsiegelung der Böden das Gesetz der Stunde – 18 Fußballfelder werden in Österreich täglich versiegelt und verbaut!

Was raten Sie?
Eine weitere Versiegelung sollte nur mehr bei gleichzeitiger Entsiegelung bestehender Flächen möglich sein. Dazu kommt, dass die Automobilität am Land nach amerikanischem Vorbild in den letzten Jahrzehnten die Einkaufsstadt von den Stadtzentren auf die grüne Wiese vor der Stadt verlagert hat. Dies höhlt die historischen Stadtzentren aus. In der Geschichte war die Stadtentwicklung von der Kirche und vom davorliegenden Markt bestimmt. Um diesen Kern hat sich die Stadt entwickelt. Heute hat die Kirche schwindende Bedeutung und der Einkauf wird im Einkaufszentrum vor der Stadt – mit dem Auto – erledigt.

Was braucht es, um „die Kirche im Dorf zu lassen“?
Die historisch über Jahrhunderte gewachsenen Ortskerne stellen ein schützenswertes Kulturgut dar, um welches uns viele Länder und Kontinente, die nicht auf eine so langjährige geschichtliche Entwicklung zurückblicken können, wohl beneiden dürften. Die Wiederbelebung der aussterbenden Ortszentren braucht Ideen und Fantasie, die in vielen Städten schon vorbildlich umgesetzt werden. Dabei gilt es, die Lebens- und Erlebnisqualität im Zentrum zu erhöhen und Infrastruktur, aber auch die Menschen und Bewohner zurück in die Zentren zu bringen.

Wenn wir von der Nutzung von Altbestand reden: Tun wir hier genug, wo läge Nachholbedarf?
Wir sind leider weit davon entfernt, eine geplante Sanierungsrate von drei Prozent des Gebäudealtbestandes pro Jahr umzusetzen, die Praxis liegt wohl näher bei 1,5 Prozent – dies bedeutet, dass erst in knapp 70 Jahren rechnerisch alle Bestandsgebäude einer Sanierung unterzogen würden. Bestandsgebäude ohne thermische Sanierung und mit überalteten Heizsystemen sind Energiefresser, sie leisten dem Klimawandel Vorschub. Eine Sanierungspflicht gibt es bei uns noch nicht. Die Fördermittel für eine Sanierung sind zwar ein Sanierungsanreiz, aber eine Vielzahl der Hausbesitzer scheint schlicht finanziell, organisatorisch und fachlich mit baulichen Sanierungsaufgaben überfordert zu sein. Oft passen Sanierungsaufgaben auch nicht in den Lebensplan der Hausbesitzer, man fühlt sich für eine Sanierung zu alt oder bezweifelt den Nutzen. Bei Gebäuden im Wohnungseigentum sind die Hausverwalter gefordert, die Sinnhaftigkeit von Sanierungsmaßnahmen an die Eigentümer heranzutragen.

Seitens der EU gibt es ambitionierte Pläne, was die Sanierung des europäischen Gebäudebestandes betrifft. Was sagen Sie dazu?
Im März 2023, nachdem durch die Gas- und Energiekrise infolge des Ukrainekrieges die Energiepreise kräftig gestiegen sind, hat die EU mit der Sanierungspflicht für ungedämmte Altgebäude für Aufsehen gesorgt. Diese Entwicklung ist notwendig und unausweichlich, wenn wir von den fossilen Energieträgern wegkommen wollen. Energie ist ein hochwertiges Gut und muss einen entsprechenden Preis haben, nur so wird es effizient eingesetzt. Wir wissen alle: Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Mit etwas, das nicht wertvoll ist, geht man auch nicht sparsam und achtsam um. Eine thermische Sanierungspflicht bedeutet, dass die Heizkosten für die Nutzer geringer werden und dies umso mehr, je teurer die Heizenergie ist. Wenn die Miete um diese Ersparnis steigt, ergeben sich für den Mieter keine Mehrkosten und der Vermieter kann mit der erhöhten Miete seine Investition refinanzieren.

Was sind für Sie gute Beispiele für die Neunutzung oder Revitalisierung von Altbestand?
Überall, wo alte Gebäude auf einen zeitgemäßen technischen Stand gebracht werden, unter Umsetzung von ambitionierten thermischen Maßnahmen und auch unter Umsetzung von Barrierefreimachung der Bestandsgebäude, wird das Ziel einer qualitätsvollen Sanierung erreicht. Dafür gibt es eine Vielzahl von guten Beispielen, wobei die Förderungen des Landes intensiv zur Qualitätsoptimierung beitragen, denn die Förderungen gibt es ja nur, wenn die hohen Anforderungen erfüllt werden.

Wo könnte man beim Bauen und Sanieren innovativer sein?
Das Bauen wird sich in Zukunft grundsätzlich ändern: Es wird verstärkt den ökologischen Anforderungen folgen, Ressourcenschonung ist angesagt ebenso wie die Verwendung von nachhaltigen Baustoffen, welche mit geringem Energieeinsatz regional hergestellt werden können. Die Steiermark ist das Land des Holzes – im Geschoßbau wird dies noch wesentlich stärker zum Tragen kommen wie bisher. Das Umfeld der Gebäude ist ökologisch mit intensiveren Bepflanzungen zu gestalten, intensive Dachbegrünungen und Energiegewinnung auf und an den Gebäuden wird immer häufiger und wichtiger.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Bauen in den nächsten Jahren verändern? Wo muss es sich verändern?
In den Städten wird die Versiegelung reduziert und der Überhitzung vorgebeugt werden müssen. Innerstädtische Nachverdichtung bei bereits bestehender Infrastruktur wird auch weiterhin hohe Wertigkeit haben. Auch am Land wird eine Verdichtung des bebauten Bestandes an Bedeutung gewinnen, ebenso die Sanierung von Bestandsgebäuden. Neubauten auf der grünen Wiese werden wohl zurückgehen. Das Ausstatten von schlecht gedämmten Gebäuden mit Wärmepumpenheizungen ist zu hinterfragen: Man kann entweder einmalig viel dämmen oder immer viel heizen, sinnvoll, nachhaltig und langfristig günstiger ist wohl Ersteres.

Wo sollte beziehungsweise wo muss die gesamte Bauwirtschaft künftig umdenken?
Die Ökologisierung des Bauens wurde schon angesprochen. Einen Nachholbedarf gibt es wohl für kompakte und damit besser leistbare Familienwohnungen, die Zeit der vielen Klein- und Kleinstwohnungen, welche am Bedarf vorbei entstanden sind, dürfte wohl vorbei sein. Die Qualität des Bauens im internationalen Vergleich ist in Österreich hervorragend, in der Bauwirtschaft wird Großartiges geleistet. •

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