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Gertraud Strempfl-Ledl war bis Juni 2020 Vorsitzende der Altstadtkommission Graz und ist Leiterin der Geschäftsstelle des Internationalen Städteforums in Graz (ISG), das 1976 gegründet wurde.
Frau Strempfl-Ledl, was war der Grund, warum man das ISG 1976 gegründet hat?
Im Zuge des Nachkriegswirtschaftswachstums hat man die Qualität des Stadtraumes mit ihrer wertvollen Bausubstanz komplett aus den Augen verloren und dem Straßen- und Garagenbau Tür und Tor geöffnet. Man kann generell sagen, dass in den 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre in Europa viel Historisches der autogerechten Stadt geopfert wurde.
Wie war das in Graz, dem heutigen Weltkulturerbe?
In Graz wollte man zu Beginn der 1970er-Jahre unter dem Renaissance-Landhaus eine Tiefgarage bauen. Für eine Hochgarage dort, wo heute das Graz Museum ist, gab es sogar schon in den 1960er-Jahren Pläne. Anfang der 1970er-Jahre ist man wach geworden und hat gesehen, dass damit unglaublich wertvolle historische Substanz zerstört wird und man dagegen etwas unternehmen muss. Unter dem Einsatz von Professor Max Mayr ist in Zusammenarbeit mit der Kleinen Zeitung die Initiative „Rettet die Grazer Altstadt“ hervorgegangen.
Welche Meilensteine sind seither passiert?
Lord Duncan Sandys, der Schwiegersohn von Winston Churchill, war damals Vorsitzender von Europa Nostra, einer europäischen Denkmalschutzvereinigung. Er meinte, es bräuchte eine Initiative, die europaweit zu vergleichen versucht, welche Strategien es zur Belebung historischer Städte und Orte und zur Altstadterhaltung gibt. Nachdem Graz damals die Bürgerbewegung zur Rettung der Altstadt hatte, meinte er, Graz wäre für eine solche Initiative der richtige Ort. Man kann sagen, das ISG ist parallel entstanden zum Grazer Altstadterhaltungsgesetz, was durchaus als Meilenstein für die Erhaltung der Altstadt und deren historischer Bausubstanz gesehen werden kann. Über so ein Gesetz verfügen übrigens nur Graz und Salzburg. Es geht dabei nicht nur um die Erhaltung der Substanz, sondern um Funktionen, die in historischen Gebäuden angesiedelt werden können und wie der öffentliche Raum gestaltet und verwendet wird. Es hat sich in den 1980er-Jahren herauskristallisiert, dass Gebäude, die keine Funktion erfüllen können, dem Verfall preisgegeben sind. Da hilft Denkmalschutz wenig, das Geld für die Erhaltung muss schließlich erst erwirtschaftet werden. Man hat schnell gesehen, dass die Erhaltung der Bausubstanz parallel gehen muss mit der wirtschaftlichen Befüllung der Gebäude. Ausserdem ist Graz 1999 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt und 2010 mit Schloss Eggenberg erweitert worden.
Warum dann die Abwanderung?
Die Wohnungen in den Altstädten waren meist substandard, modernes qualitätsvolles Bauen, architektonisch wie soziologisch, fand am Stadtrand statt. Die Altstadt hat dadurch als Wohnraum enorm verloren. Erst in den späten 1990er-Jahren, als viele junge Menschen zum Studium nach Graz kamen, hat sich das geändert. Sie wollten nicht am Stadtrand wohnen, sondern in der Altstadt, in der Nähe zu Nahversorgern und ihren Ausbildungsstätten und die Wohnungen waren günstiger und durch öffentliche Verkehrsmittel angebunden.
Graz hat eine tolle Wandlung hingelegt. Worauf heißt es jetzt zu schauen?
Ja, es ist viel geschehen, wir haben zuletzt mit dem Stadtbauamt vereinbart, dass nur hochwertige Qualität bei der Pflasterung der Fußgängerzonen eingesetzt wird, in der Schmiedgasse sieht man das aktuell. Es werden noch Bäume hinzukommen, das wird sicher schön. Große Herausforderungen sind die Erdgeschoßzonen in historischen Siedlungsräumen. Die Geschäftstätigkeit ist rückläufig, die meisten Geschäftsleute können sich die unglaublich hohen Mieten in historischen Gebäuden nicht leisten. Dabei braucht es eine Geschäftstätigkeit in den Erdgeschoßen, um ein lebendiges Stadtbild zu produzieren. Die Einkaufszentren in der Peripherie mit den riesigen Parkplätzen sind zudem starke Konkurrenz.
Wie glauben Sie, könnte diese Entwicklung weitergehen?
Könnte ich eine einfache Antwort geben, hätte ich den Stein der Weisen gefunden. Ich glaube, es ist ein Mix aus vielen Punkten: Einerseits geht es tatsächlich um die Mietpreise, da kann man nur an die Hausbesitzer und ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Bevölkerung appellieren – vielfach sind das international tätige Unternehmen – und ihnen das Problem bewusst machen. Es ist ein unglaublich negativer Impact auf die Stadt und in weiterer Folge auch auf die Bewohner, wenn leere Erdgeschoß-Zonen, die verklebt sind, das Straßenbild prägen; sie verursachen ein Gefühl der Unsicherheit und können all das, was eine Stadt belebt, zunichte machen. Wir arbeiten mit einem Schweizer Verein zusammen, der sich seit Jahren dafür einsetzt, einen bestimmten Geschäftemix in Altstädte zu bringen und dort auch zu halten. Auch das geht nur über Förderstrategien. Gleichzeitig muss geschaut werden, wie die Ästhetik der Altstadt bei solchen Maßnahmen mitgestaltet werden kann und wie der öffentliche Raum gestaltet und genutzt wird. Die Stadt Graz und das Land Steiermark haben Initiativen, mit denen Geschäftstreibende in den Stadt- und Ortszentren am Beginn mit Förderungen unterstützt werden.
Wenn Sie entscheiden dürften, wie Sie wollten, was würden Sie in Graz verändern?
Das sind zwei Punkte, die nicht von Graz aus, sondern von der Bundes- und Landespolitik geleistet werden müssten, dann aber große Auswirkungen auch auf Graz hätten: Ich würde mir eine Änderung des Denkmalschutzgesetzes wünschen, bei der viel stärker die regionale Bedeutung historischer Bauwerke angerechnet wird. Heute wird eher quantifiziert, also: in Österreich gibt es so und so viele Jugendstilvillen unter Denkmalschutz. Da muss nicht unbedingt eine neue hinzukommen. Doch oft ist es gerade die eine Villa in einer bestimmten Straße, die einen Identitätspunkt und ein wertvolles Baudenkmal darstellt und die zu erhalten ist. Und ich würde mir wünschen, dass wir die Schutzzonen über einige Viertel weiter ausdehnen. Voruntersuchungen gibt es bereits zwischen Grieskai und Griesplatz und Karlauerstraße, auch im Lend, in Geidorf rund um die Körblergasse, wo viele wertvolle historische Gebäude, auch Jugendstilgeschoßbauten und Villen zu erhalten wären.
Letztlich wäre es zielführend, die Erhaltung historischer Bauten steuerlich so stark zu begünstigen wie das vergleichsweise bei Anlegerwohnungen getan wird. •