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Herr Beer, was raten Sie jemandem, der vorhat, ein altes Gebäude zu revitalisieren?
Beer: Als Partner sollte man sich einen Zimmermeister suchen, der sich im Bereich Restaurierung und Sanierung wohlfühlt und entsprechende Referenzobjekte vorweisen kann. Es ist immer ratsam, so viel wie möglich von der alten Bausubstanz zu erhalten. Man neigt heute dazu, sich Arbeiten so einfach zu machen, das ist nicht immer der richtige Weg.
Was wäre der richtige Weg?
Manche Handwerker empfehlen den einfacheren Weg, auch wenn sie alte Handwerkstechniken noch beherrschen. Und so werden oft zu viele Teile der alten Bausubstanz weggenommen und durch moderne, praktische Lösungen ersetzt. Gerade bei der Altbausanierung oder Revitalisierung muss man manchmal den schwierigeren Weg gehen, um die Schönheit des Bauwerks zu erhalten. Leider wird oft mit gutem Willen vieles zu Tode saniert - gut gewollt ist nicht immer gut gemacht.
Was meinen Sie mit „zu Tode saniert“?
Man sieht das, wenn Fassaden oder Dachflächen tot ausschauen. Dabei ist es gerade die Lebendigkeit alter Bauwerke, die auch ihre Interessantheit ausmachen. Es ist wie beim Gesicht eines alten Menschen: Das hat nun einmal Falten und sieht damit interessanter aus als ein Gesicht, das geliftet ist. Und gerade bei der Revitalisierung und Sanierung ist die alte Bausubstanz sehr wichtig. Lieber also das eine oder andere original lassen, dafür an- oder dazuarbeiten, statt alles begradigen und schön machen zu wollen.
Sie haben in der Oststeiermark ein altes, sehr baufälliges Kellerstöckel restauriert, das unter normalen Bedingungen vermutlich abgerissen worden wäre. Warum sollte sich jemand, der nicht wie Sie aus der Branche ist, auf so ein Unterfangen einlassen?
Es ist schön einem alten Bauwerk wieder Leben einzuhauchen und die alte Bausubstanz zu aktivieren – es ist ein aktives Arbeiten mit der Geschichte. Man wächst auch mit der Aufgabe und ich bin mir sicher, dass die Bauherren Freude an dieser Art der Arbeit haben. Es ist auch klar, dass man ein Gebäude pflegen oder betreuen muss und immer wieder Reparaturen bzw. Sanierungen anstehen – egal aus welchem Baustoff die Materialien sind.
Ist den Bauherren das Ihrer Erfahrung nach klar?
Viele Bauherren glauben, dass man nach dem Bau eines Hauses die nächsten 50 Jahre nichts mehr tun muss. Beim Hausbau ist es aber wie bei einem Auto: Auch das hat eine Betriebsanleitung, auch damit fahre ich spätestens nach drei Jahren zum Service. Viele Hausbesitzer sehen das recht locker und schauen zu, wie Holz moosig oder morsch wird. Dabei hat auch der Holzbau kein wirkliches Ablaufdatum, das sieht man ja bei den alten Bauernhäusern in Stübing.
Was sind so Grundregeln, damit das Holzgebäude so lange wie möglich lebt?
Ein Holzhaus, das seit Jahrhunderten steht, hat einen funktionierenden konstruktiven Holzschutz. Das heißt, es wurde alles getan, damit Feuchtigkeit vom Bauwerk abgeleitet wird, dass sich kein Wasser in irgendwelchen Fugen und Ecken sammelt und das Holz schlecht trocknen kann. Hölzer, die etwa durch Vermorschung ihre Tragestruktur verloren haben, können mit keinem vernünftigen technischen Mittel zusammengeklebt werden, diese sind zu tauschen.
Kann ein Laie die Qualität des Holzes bzw. solche Schäden erkennen?
Das braucht schon den Blick des Experten. Wenn der Lack auf einem alten Holz Blasen wirft, wird es dahinter wahrscheinlich vermorscht sein. Und das bleibt selten bei einem kleinen Eckerl, das man mit freiem Auge sieht. Ein guter Handwerker erkennt das, sollte aber auch so ehrlich sein und klar sagen, was auf den Bauherrn alles zukommen kann und nicht sagen: „Fangen wir halt mal an.“
Der Bauherr sollte damit auch Kostentransparenz einfordern?
Ich bin der Meinung, dass es besser ist, den ehrlichen Weg zu gehen – und das ist selten eine Pauschalierung der Arbeiten. Ein gut kalkulierender Zimmermeister müsste bei einer Pauschale alle möglichen Unwägbarkeiten einkalkulieren, seine Pauschale müsste also der Maximalpreis sein. In diesem Fall ist es eher so, dass sich der Kunde Geld spart, wenn er nach Aufwand (in Regie) sanieren lässt, beide Partner (Kunde und Handwerker) können sich somit über ein gelungenes Werk freuen.
Was wäre die erste Maßnahme bei der Besichtigung eines zu revitalisierenden Gebäudes?
Zu schauen, dass keine Feuchtigkeit da ist. Also prüfen, ob das Fundament wirklich im Trockenen steht. Dann wird man schauen, ob das Bauwerk vom Fundament bis zum First her dicht ist, um keine zusätzliche Feuchtigkeit ins Gebäude zu bringen. Es geht ja meist schleichend dahin: erst fehlt ein Dachziegel, der Wind nimmt drei weitere mit und schon dringt Wasser herein und das Holz morscht sukzessive. Dann brechen die Mauern weg oder bekommen Risse, weil die Dachstuhlkonstruktion nicht mehr hält.
Was macht einen guten, stabilen Dachstuhl aus?
Wenn er auf das darunterliegende Mauerwerk nicht mehr Kräfte aufbringt, als dieses zulässt. Alte, einfache Dachstühle bestanden aus zwei Sparren und mit einem Bundtram verbunden, ein Dreieck, das in sich geschlossen ist und keine Schubkräfte auf das untere Bauwerk aufbringt. Also nur Druck von oben, aber keinen Schubdruck nach außen. Wenn dieses System nicht funktioniert, weil es morsch ist oder ein Teil herausgeschnitten wurde, fängt es an, nach außen zu schieben, was zum Versagen der Dachkonstruktion führt. Grundsätzlich ist Holz ein Material, das von der Struktur wegen der nachgiebigen Verbindungen leicht zu verformen ist und Kräfte umlagern kann: Wird ein Balken herausgeschnitten, übernimmt ein anderer die Kraft, wenn Reserven vorhanden sind. Bei mehrmaligem Umbau jedoch kann die Tragestruktur so geschwächt sein, dass es zu einem Versagen kommt. Grundsätzlich gilt: Für jedes Bauteil, das ich herausschneide, brauche ich einen Ersatz. Wenn man diesen Grundsatz beachtet, kommt man auch bei der Sanierung gut zurande.
Wenn wir von alter Handwerkskunst bei Holzbau reden: Beherrschen das noch viele Handwerker?
Handwerksarbeit ist vor allem beim Holzfacharbeiter – oder früher Zimmerer – überliefert. Zwar werden heute vielfach CNC-Fräsen eingesetzt, was bei großer Stückzahl sinnvoll ist, aber die meisten Firmen können noch mit den Fachbegriffen „Abbundarbeit“ (das händische Abbinden/Herrichten von Bauteilen oder des Dachstuhls, Anm.) etwas anfangen.
Das ist ja das Schöne an der Holzbaukunst: Man begleitet ein Bauwerk bis zum Ende. Wir sehen gerade bei jungen Mitarbeitern, welche Freude damit verbunden ist und wie groß die Kränkung ist, wenn man sie vor dem Ende von der Baustelle abzieht. Und solange der Holzfacharbeiter nicht zum Montagehelfer wird, so lange lebt und bildet sich das Handwerk weiter, vom Meister zum Facharbeiter, zum Lehrling. •