Wir verwenden Google Analytics um die Zugriffe und das Benutzerverhalten auf unserer Website analysieren zu können und unser Online-Angebot in Zukunft für Sie besser gestalten zu können. Dabei wird ihre IP-Adresse erfasst und pseudonymisiert gespeichert. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns die Erfassung erlauben. Sie können Ihre Entscheidung jederzeit auf unserer Datenschutzseite ändern.

✔ Erlauben ✘ Verbieten

Denkmalschutz ist weniger rigide als früher - Mag. Dr. Christian Brugger

Klimaschutz erfordert Energiesparmaßnahmen, das gilt auch für historische Gebäude. Zwar passt auf eine Gründerzeitfassade kein Vollwärmeschutz, Möglichkeiten zum Energiesparen gibt es trotzdem, ist man beim Bundesdenkmalamt überzeugt.

 

Derzeit stehen in Österreich rund 39.000 Gebäude unter Denkmalschutz, was 1,8 Prozent des gesamten Gebäudebestandes darstellt. Das Denkmalschutzgesetz gibt es seit genau hundert Jahren, damit wurde ein wichtiger Meilenstein für die Erhaltung des österreichischen kulturellen Erbes gesetzt. Christian Brugger vom Bundesdenkmalamt erklärt, wie Denkmalschutz und Klimaschutz zueinander finden können.

Denkmalschutz und Klimaschutz: Man denkt dabei unweigerlich an die denkmalgeschützte Gründerzeitfassade und an Vollwärmeschutz. Wie passt das zusammen?
Brugger: Natürlich gibt es hier eine Divergenz zwischen Klimaschutz und den denkmalgeschützten Gebäuden einer historischen Altstadt. Wenn wir über Klimaschutzmaßnahmen nachdenken, ist das von einem Gefühl begleitet, schnell ins Handeln kommen zu müssen, um Energie zu sparen. Und auch wenn man bei einem Gründerzeithaus hinsichtlich Außendämmung nicht viel tun kann, über Klimaschutzmaßnahmen reden kann man immer. Vor allem aber muss man generell bei historischen Bauten relativieren: Jedes Haus, das vor Hunderten von Jahren errichtet wurde, hat die ganzen Umweltkosten für die Errichtung in seiner Bilanz der „Grauen Energie“ bereits kompensiert. Das verhält sich ähnlich wie beim Elektroauto, das ab dem Zeitpunkt klimaneutral ist, wenn die Emissionen für die Herstellung auf Null sind. Gebäude, die seit Hunderten von Jahren stehen, haben in der Energiebilanz einen großen Bonus, egal ob denkmalgeschützt oder nicht. Das schließt jedoch nicht aus, zu fragen, wie es mit dem Gebäude weitergehen soll.

Wenn man heute davon spricht, dass aus Klimaschutzgründen das Bauen neu gedacht werden muss: Wo muss oder sollte der Denkmalschutz das tun?
Beim Denkmalschutz denkt man schon heute neu im Sinne von: Denkmale können durchaus weitergebaut und weiterentwickelt werden, solange die Erzählung vom Objekt nicht beeinträchtigt wird. Bei historischen Gebäuden geschieht das seit jeher, in jeder Epoche wurde Bestehendes umgebaut, jedes Gebäude hat mehrere Zeitebenen und auch jedes Erbe wurde von den nachfolgenden Generationen an deren Bedürfnisse angepasst. Es gibt also kaum historische Objekte, die über die Jahrhunderte unverändert bestehen bleiben. In diesem Kontext können auch klimatechnische Maßnahmen mitberücksichtigt werden, als individuelle Lösungen, weil auch jedes Objekt einzigartig ist.

Müsste in Anbetracht der Klimaziele nicht der Denkmalschutz gelockert werden?
Gelockert ist nicht der richtige Begriff, da sich beides gut vereinen lässt. Alles, was sich einsparen lässt, ist wichtig für das Klima, Denkmalschutz ist dabei nicht mehr ganz so rigide wie früher. Aktuell ist eine Novelle des Denkmalschutzes in Bearbeitung, die auf die neuen Herausforderungen Rücksicht nimmt. Beim Denkmalschutz wichtig ist weiterhin, dass die Substanz, die Geschichte, das Erscheinungsbild, die Inhalte und Erzählungen des Gebäudes erhalten bleiben. Innerhalb dessen kann das Gebäude weiterentwickelt, an die jeweilige Zeit angepasst oder nachjustiert werden.

Wie sieht es nun mit der Klimabilanz eines historischen Gebäudes aus?
Wenn man beispielsweise ein altes Schloss oder ein städtisches Palais hernimmt, würde man katastrophale Dämmwerte vermuten. Das stimmt aber nicht. Diese Gebäude haben dicke Mauern, also jede Menge Speichermasse. Gerade historische Gebäude reagieren langsam auf Klimaveränderungen: Im Sommer bleiben die Räume relativ lange kühl und im Winter wird es weniger schnell kalt, weil das Mauerwerk nun einmal Energie speichert. Das Problem besteht zum Beispiel eher da-rin, dass Fenster und Türen undicht sind oder die Geschoßdecke zum Dachraum nicht gedämmt ist.

Ihre Ausführungen lassen den Schluss zu, dass generelle Empfehlungen zu Klimaschutzmaßnahmen nicht möglich sind.
So ist es. Darum lässt sich bei solchen Gebäuden ein realistischer Energieausweis auch schwer bis gar nicht berechnen. Vollwärmeschutz beispielsweise wäre hier nicht einmal sinnvoll, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen: Werden auf dickes Mauerwerk, auf das ganzjährig die Sonne scheint, Wärmedämmplatten geklebt, wirken diese kontraproduktiv auf die Wärmespeicherung, so wie sie Wärmeverlust nach außen vermeiden, verhindern sie auch erwünschten Wärmeeintrag durch ihre Sperrfunktion. Sie verändern etwa durch Einfluss auf das Feuchtigkeitsverhalten innerhalb der Mauer deren bauphysikalische Eigenschaften und können zu vielen Verschlechterungen führen, Stichwort Schimmelbildung. Gerade bei alten Materialien ist also Vorsicht geboten, dass man sich durch solche Maßnahmen keine Bauschäden einhandelt.

Wo könnte man stattdessen ansetzen?
Statt nach „großen“ Maßnahmen zu suchen, müsste die Frage eher lauten: Wo im Gebäude gibt es Schwachstellen, wo lässt sich nachjustieren? Bei den meisten alten Häusern beispielsweise ist die oberste Geschoßdecke relativ dünn und aus Holz, weil sie selten Lasten tragen musste. Hier macht eine Wärmedämmung mit diffusionsoffenem Material durchaus Sinn. Bei gründerzeitlichen Kastenfenstern gibt es fallweise Möglichkeiten, die innere Fensterebene mit angepasstem Isolierglas zu ertüchtigen. Es sind viele punktuelle Maßnahmen möglich, das lässt sich aber nur von Objekt zu Objekt bestimmen und stets unter der Maßgabe, dass der Charakter eines Gebäudes nicht zerstört wird. Dazu braucht es Gewerke, die sich mit der Materie auskennen.

Klimaschutz könnte somit auch ein Revival von altem Handwerk bedeuten?
Ja, alte Handwerkstechniken sind und werden wieder gefragt, weil sie für die Umgestaltung von Bestandsbauten erforderlich sind. Zur Vermeidung von weiterer Bodenversiegelung wird nämlich mehr als bisher im Altbestand gearbeitet, die Bauwirtschaft widmet sich stärker als bisher diesem Thema. Um weitere graue Energie zu vermeiden, ist es sinnvoll, Bestehendes zu nutzen und nicht immer Neues zu errichten.

Wie sieht es mit Förderungen aus? Maßgeschneiderte Maßnahmen sind in der Regel teuer.
Förderungen sind grundsätzlich schon möglich, die Maßnahmen müssen aber denkmalkonform umsetzbar sein. Wenn wir beim Fensterbeispiel bleiben: Nicht nur eine Bestandssanierung, auch ein neues Isolierfenster kostet Geld. Es ist also nicht nur eine Kostenfrage, sondern eine generelle Abwägung, welche Maßnahmen klug sind. Und da ist viel Luft nach oben.

Stichwort PV-Anlagen in historischen Altstädten. In Graz wird das wegen der geschützten Dachlandschaft nicht möglich sein, aber in anderen Innenstädten mit Blechdächern gäbe es bereits Lösungen.
Wir vom Bundesdenkmalamt beobachten die technischen Entwicklungen am Markt sehr genau, und ja, es gibt schon vertretbare Lösungen wie beispielsweise aufgeklebte PV-Module auf Blechbahnen, die kaum als Veränderung wahrnehmbar sind. Auch werden schon PV-Module mit anpassbaren Farben und Oberflächen angeboten. Nur ist es momentan noch eine Preis-Leistungs-Frage und für viele Hausbesitzer wirtschaftlich schwer darstellbar. Das Bundesdenkmalamt sieht PV-Anlagen jedenfalls nicht mehr als absolutes No-Go, sondern unter bestimmten Rahmenbedingungen umsetzbar. Wir haben dazu ein ausführliches Informationsblatt erstellt (www.bda.gv.at; Photovoltaik und Denkmalschutz). Zur historischen Altstadt nur noch kurz ein Hinweis: Hier gibt es zwei wichtige Themenbereiche, die sich überschneiden und in Einklang gebracht werden müssen: der klassische Denkmalschutz, der sich meist auf Einzelobjekte bezieht, und Ortsbildgesetze, die auf das Gesamte blicken.

Historische Gebäude werden dann vermutlich bis auf Weiteres nicht in der Lage sein, ihren eigenen Strom zu produzieren?
PV-Anlagen sind ja auch auf anderen Objekten möglich, das muss nicht immer die historische Dachfläche sein, was in Graz kaum möglich wäre. Lässt sich auf oder an denkmalgeschützten Gebäuden kein Strom herstellen, könnten deren Eigentümer sich in Energiegemeinschaften „einkaufen“, mit denen sie denselben wirtschaftlichen Effekt der Stromproduktion erzielen wie fiktiv am eigenen Haus. Es entwickeln sich dazu sehr wohl interessante Wirtschaftsmodelle.

Wenn man historische Innenstädte als Ganzes betrachtet, wo ließe sich hier klimatechnisch ansetzen?
Wir haben zwischen dem historischen Gebäudebestand in der Regel viele versiegelte Oberflächen, Straßen, Gehsteige, Höfe, Plätze, die sich im Sommer enorm aufheizen. In solchen Innenstädten liegen die Temperaturen um etliche Grad höher als im Umland. Das Mauerwerk, die Plätze und Straßenbeläge speichern an heißen Sommertagen viel Energie, die nachts oft nicht mehr auskühlen kann und zu Hitzestress in Innenstädten führt. Hier sind Begrünungen sinnvoll, entweder auf architektonisch nicht aufwendig gestalteten Fassaden, aber auch durch Pflanztröge oder durch Stadtmöblierung. Historisch gesehen hat man mangels heutiger Baustoffe Klimaschutz unbewusst „ernster“ genommen, Plätze, Wege und Straßen waren nicht versiegelt, maximal gepflastert, meist aber nur geschottert. •

Downloads
Beleben Beitrag Brugger PDF