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✔ Erlauben ✘ VerbietenIn der von Abwanderung geprägten Obersteiermark sticht eine Gemeinde heraus, wie das gallisches Dorf bei Asterix: Trofaiach. Bürgermeister Mario Abl erzählt, wie man dem Strukturwandel Paroli bieten konnte und den Betriff „lebenswert“ neu definiert hat.
Die Obersteiermark, einst mit Eisen und Stahl reich gewordene Industrieregion, hat der Strukturwandel voll erwischt. Das Stahlwerk Donawitz in Leoben, das zu Hochzeiten 8000 Menschen aus der Region beschäftigte, bietet heute nur noch 2500 Mitarbeitern einen Arbeitsplatz. Während in Eisenerz in den 1950er-Jahren 13.000 Menschen lebten und arbeiteten, sind es aktuell nur etwa 4000, Tendenz sinkend. Und in Trofaiach? Da bleibt seit einigen Jahren die Einwohnerzahl in etwa gleich, auch wenn den rund 80 Geburten im Jahr 140 Todesfälle gegenüberstehen. Also in Summe eher Zuzug als Abwanderung. Bürgermeister Mario Abl, seit zehn Jahren im Dienst, hat lange bevor Themen wie Kinderkrippe oder Ganztagesschule populär waren, gehandelt und solche Einrichtungen geschaffen. Er ist mit der Leiterin eines Kindergartens verheiratet, das Paar von zwei Kindern weiß zudem selbst, wie wichtig diese Infrastruktur ist, wenn beide Elternteile arbeiten gehen. Und vor allem: Erst wenn die Infrastruktur für Familien da ist, bleiben die Einwohner weiter wohnen oder es siedeln sich sogar neue an. Gekümmert hat sich die Stadt um ein weiteres wichtiges Thema, den Verkehr. Zwischen Trofaiach und Leoben wird untertags eine viertelstündige Busverbindung angeboten, die Bürgerinnen und Bürger bequem an das Zugnetz anbindet. Mit dem Ziel, dass der Öffentliche Personenverkehr in Trofaiach untertags um 30 Prozent gestiegen ist, am Wochenende bis zu 70 Prozent.
Dass Trofaiach international gern als Best Practice Beispiel für gelungene Stadtbelebung genannt wird, hat auch andere Gründe, denen eine kluge politische Entscheidung vorausgegangen ist. Noch lange bevor sich in der Steiermark Gemeinden anschickten, zu fusionieren, setzte man diesen Schritt in Trofaiach. Aus der Stadt Trofaiach und den Gemeinden Gai und Hafning wurde eine Kommune – beschlossen im Übrigen mit sehr hoher Zustimmung. Die Stadt hat nun über 10.000 Einwohner, was sich auch finanztechnisch auszahlt, denn es bedeutet pro Jahr ein Budget von 1,8 Millionen Euro. Seit 2009 konnten zudem die Schulden von 24 auf acht Millionen Euro reduziert werden, und die sind einnahmenseitig abgedeckt, verrät Bürgermeister Abl. Damit ist Geld für Investitionen da.
„Trofaiach, meine Stadt“, ein Slogan, der 2013 aus der Taufe gehoben wurde, sollte auf Zusammenhalt abzielen. Lange bevor noch Vizekanzler Werner Kogler mit der grünen Sonnenbrille in den Wahlkampf gezogen war, hätten Bürger mit grünen Sonnenbrillen, die die Gemeinde verteilt hatte, Urlaubsgrüße in die Heimat geschickt, ein bisschen Stolz auf die Herkunft wollte man damit signalisieren, sagt Abl schmunzelnd. Der Weg zur lebenswerten Stadt und der guten „Community“ war arbeitsreich und zog sich über einen längeren Zeitraum. Ideen holte man sich in Traiskirchen, was die Familienfreundlichkeit betrifft, oder in Waidhofen an der Ybbs in puncto Innenstadtbelebung. Mit der Agentur nonconform holte man sich einen Partner ins Boot, der im wahrsten Sinne einen unverbauten Blick auf die Stadt hatte. „Ohne externe Berater macht so etwas keinen Sinn“, betont Bürgermeister Abl, zu viele blinde Flecken verhinderten einen freien Zugang zu Umstrukturierungen. Die Bürger wurden eingebunden, was in der Regel so vonstatten ging: Die Stadt informierte möglichst neutral über anstehende Vorhaben, die Bürgerinnen und Bürger konnten ihre Ideen in den eigens aufgestellten Postkästen deponieren, zudem waren die Bieruntersetzer in Gasthäusern so gestaltet, dass man auch darauf Wünsche notieren konnte. Die Vertreter von nonconform organisierten Workshops und Gesprächsrunden mit allen Bevölkerungsgruppen, für eine freiere Meinungsäußerung teilweise ohne Gemeindevertreter. Die Ideen wurden gefiltert und in einen Masterplan gepackt, der im Grunde genommen die Basis für bereits vergangene und künftige Maßnahmen ist bzw. sein wird, betont der Bürgermeister. „Im Wesentlichen wollten die Bürgerinnen und Bürger mehr öffentlichen Raum, mehr Bewegungs- und Begegnungsflächen, im besten Fall konsumfrei.“ Mittlerweile gibt es sogar einen eigenen Mitarbeiter, den „Innenstadtkümmerer“, der Prozesse steuert und die Menschen zusammenbringt.
Die Innenstadtbelebung schreitet indes fort, unter anderem durch die Schaffung von Begegnungszonen. Die großen Lebensmittelketten sind im oder nahe beim Zentrum, Unternehmer können um Mietzuschüsse bis zu drei Jahre ansuchen, wenn sie sich in der Innenstadt niederlassen. Mittlerweile gibt es auch Förderungen für BürgerInnen, die eine Immobilie im Zentrum erwerben und dort Geschäftsflächen und Wohnraum schaffen. Das kommt der Gemeinde sehr entgegen, immerhin stehen trotz Belebung noch immer Häuser leer. •