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Stanz

In Stanz im Mürztal regiert die Bürgerliste, und das recht unkonventionell. Mit ihrem Energie-modell wurde die Gemeinde zum Vorzeigeprojekt für ganz Europa.

„Eigentlich sind wir ein kommunalpolitischer Betriebsunfall“, sagt Friedrich Pichler. Er stellt mit der Bürgerliste nun schon die zweite Amtsperiode den Bürgermeister. Weil sich eine Gruppe Widerständischer im Jahr 2015 gegen die Gemeindestrukturreform auflehnte – Stanz wurde als einzige steirische Gemeinde nicht zwangsfusioniert und durfte eigenständig bleiben –, kam von der Bevölkerung die Aufforderung: Wenn ihr schon so goschert seid, dann stellt‘s euch für die nächste Gemeinderatswahl auf. Gegen die Fusionierung war man, weil es auf wichtige Fragen keine Antworten gegeben habe, erklärt der Bürgermeister, etwa ob die Ärztin ihre Landapotheke weiterführen dürfe oder man künftig zur Apotheke ins zehn Minuten entfernte Kindberg fahren müsse. Nach der Gemeinderatswahl führt die Bürgerliste diese Pragmatik des Sondierens und Abwägens weiter, denn „man kann mit großer Begeisterung auch in die falsche Richtung laufen“, sagt Pichler. Vor allem wollte man in der 1.800-Seelen-Gemeinde von der kritisierenden Rolle in die gestaltende kommen, was aufgrund der gegebenen Parteiunabhängigkeit auch unkonventionellere Blicke auf viele Themen erlaubte. „Die Leute wollen keine Streitereien, sie möchten Ergebnisse sehen, gerade im Hinblick auf die Zukunft“, erklärt der Bürgermeister.

Zunächst wurde die „Dorfwerkstatt“ in einem leer stehenden Gebäude gegründet: ein Raum für Begegnungen und Veranstaltungen, für den Kost-Nix-Laden und um dort die Zukunft des Ortes zu diskutieren. Herausgekommen sind dabei eine Vielzahl an Ideen und Maßnahmen, etwa der Plan, den Gebäudebestand erhalten, verdichten und den Kern attraktiv machen zu wollen. So wurden im Ortskern Gebäude, teilweise aus dem 16. Jahrhundert, aufgekauft, saniert und energietechnisch auf neuesten Stand gebracht, es entstand neuer Wohnraum für ältere und betreuungsbedürftige, aber auch für junge Menschen. Unter der Planung des Architekten Nussmüller entstand durch Sanierung, Abbruch und Neubau – vornehmlich aus Holz – ein urban gehaltener Ortskern mit Fußgängerzone. Dort befindet sich auch „Trixis Dorfladen“, der neue, regional und nachhaltig ausgerichtete Nahversorger, über dem Lebensmittelmarkt sind Wohnungen untergebracht. Weil in Stanz ohne Auto nichts geht, aber nicht jeder Mensch eines besitzt oder fahrtüchtig ist, stellte man ein gelb-grünes Bankerl mit Sonnenschirm auf. Ist er aufgespannt, sucht die auf der Bank sitzende Person eine Mitfahrgelegenheit. Worüber man sich anfangs amüsierte, wurde mit dem „Ruftaxi“ zum funktionierenden Modell. 18 Freiwillige sind in ihren E-Autos montags bis freitags zwischen 7 und 19 Uhr für innerorts 2,50 Euro und außerorts 3,50 Euro unterwegs, Anruf genügt.

Das große Thema, mit dem es „die Stanz“ in internationale Tageszeitungen schaffte, war das Energiemodell der „Energiegemeinschaft Stanzertal“: „Weg vom Gas, hin zu alternativen Lösungen“ lautete der Plan im Jahr 2017, da war von der Energiekrise noch keine Rede. Energieautarkie sollte dabei nicht das Ziel sein, vielmehr stand die Idee vom Austausch im Raum. Jede auf nachhaltigem Weg produzierte Kilowattstunde Strom, die der Haushalt selbst nicht verbrauchen kann, soll er nach einem festgelegten Tarif an einen in der Energiegemeinschaft befindlichen Haushalt weiterverkaufen können. Das „Zahlungsmittel“, der Token, wandert in die digitale Geldbörse des Stromverkäufers und kann in bares Geld umgewandelt werden: Als Zahlungsmittel ist der „Stanzertaler“ in absehbarer Zeit in „Trixis Dorfladen“ einsetzbar, damit können dann das „Ruftaxi“ bezahlt werden, aber auch die kommunalen Abgaben. Zur Stromgewinnung werden auf den gemeindeeigenen und privaten Gebäuden PV-Anlagen angebracht. Die Leistung eines privaten Kleinwasserkraftwerks aus dem Jahr 1906 wird nächstes Jahr auf 80 kW vervierfacht werden.

Seit 2015 bemüht man sich in Stanz, die Kommune zu stärken, auch mit Unterstützung aus Brüssel. Die Gemeinde wurde unter knapp 800 Bewerbern als eine von 20 europäischen Kommunen in das EU-Projekt Smart Rural 21 aufgenommen. Fakt ist, dass der Gemeinde große Steuereinnahmen fehlen und man auf Gelder von außen angewiesen ist, um die Transformation zur smarten Kommune überhaupt stemmen zu können. „Wir haben eine sehr hohe Lebensqualität, keine Autobahn, eine schöne Umgebung, aber wenige Betriebe und damit kaum Einnahmen“, sagt der Bürgermeister. Von den tausend Erwerbstätigen in der Gemeinde arbeiten 250 bei der VOEST in Kindberg. Aus den EU-Projekten konnten zwei Vollzeitstellen generiert werden, die den Weg der Kommune in die Zukunft organisieren und gestalten. •

 

Fotos: Simon Oberhofer

Link zur Gemeinde

http://www.stanz.at

Bürgermeister von Stanz

DI Friedrich Pichler