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Bad Radkersburg

Bad Radkersburg ist ein Juwel an baukulturellen Schätzen. Der Grazer Architekt Stephan Piber setzt mit seinem Revitalisierungsstil neue Akzente in der alten Grenzstadt.

Bad Radkersburg ist seit jeher Vermittlerin. Die Grenzstadt zu Slowenien war in alten Zeiten Handelsstadt, nachdem die Handelswege entlang großer Flüsse verliefen, so auch am Grenzfluss, der Mur. Früh schon ließen sich Händler und Gewerbetreibende nieder, es entstand die erste Siedlung, aus der im 13. Jahrhundert eine Stadt wurde. Noch heute ist Bad Radkersburg von einer Stadtmauer umgeben. Der Grazer Architekt Stephan Piber hat hier schon einige Projekte umgesetzt und zeichnet auch für die Neugestaltung des Hauptplatzes verantwortlich. In der Hasenhaide hat er ein Stadttor aus Cortenstahl gestaltet, es verbindet das Thermen- und Kurviertel mit der Altstadt. Für ihn ist die Baukultur und die Dichte an baukulturellen Schätzen in Bad Radkersburg einzigartig. Die Lebens- und Freizeitqualität schätzen auch immer mehr Westösterreicher, die in den letzten Jahren ihren Alterswohnsitz in die südlichste Stadt der Steiermark verlegt haben. „Bad Radkersburg hat ein enormes Potenzial, man muss jedoch Acht geben, dass es richtig saniert wird“, sagt Piber. Das bedeutet für ihn: Revitalisieren mit dem richtigen Material und der richtigen Technik nach dem Motto: „Weniger ist mehr“, um den Charme der alten Gebäude zu erhalten. „Man muss sich vom Anspruch entfernen, dass ein revitalisierter Altbau wie ein Neubau aussieht und funktioniert.“  

Eines seiner jüngsten Projekte ist die in Privatbesitz befindliche ehemalige Gerberei in der Pfarrgasse 1. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude wurde vollständig revitalisiert, einschließlich des hohen Kamins, der ein Storchennest beherbergt. Um die originalen Baumaterialien zu ergründen, unterzog man die Fassade einer Analyse. Mursand und Sumpfkalk waren die damaligen Baustoffe, damit wurde die Fassade wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Dabei verzichtete man bewusst auf die zweifärbige Gestaltung, die für die meisten Häuser in Bad Radkersburg typisch ist. Die Einfärbigkeit lasse die Schattenwirkungen der unterschiedlichen Ebenen der Fassade besser zur Geltung kommen, betont Architekt Piber. Der Sockel des Gebäudes wird vorübergehend mit einem sogenannten „Opferputz“ versehen, damit die Feuchtigkeit ausdampfen kann. „Wir haben Feuchtesanierungen jahrelang falsch gemacht, indem wir davon ausgingen, Wasser wegsperren zu müssen. Das funktioniert aber nicht“, sagt der Architekt. Zementhaltige Putze sorgten vielerorts dafür, dass die Feuchtigkeit nicht verschwindet, sondern sogar in die Obergeschoße aufsteigt. Mittlerweile versucht man, Feuchtigkeit auf natürliche Weise mit diffusionsoffenem Material zu begegnen, mitunter werden Sockelheizungen eingesetzt.

Gerbereien hatten in frühen Tagen Belüftungsgaupen im Dachgeschoß, so auch das Anwesen in der Pfarrgasse 1. Diese Holzlamellen wurden erhalten und dahinter Isolierglasebenen eingezogen. Von zwei Dachseiten fällt nun Licht in das Innere. Das Haus enthält auf zwei Ebenen drei Wohneinheiten, das Dachgeschoß ist ausbaufähig. Im Innenhof ist eine Garage untergebracht. Das Baugesetz verpflichtet die Schaffung von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge oder Garagen am Bauplatz. Autos sollen nicht auf der Straße, sondern auf dem Grundstück parken. Hier will der Architekt weiter intervenieren: Jeder Innenhof verliert durch parkende Autos an wohnlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Balkone im Innenhof der alten Gerberei samt Geländer wurden originalgetreu nachgebaut, die schmucken Eisenträger, die dem Ganzen eine filigrane Optik geben, hat ein Schlosser nach Originalplänen nachgeschmiedet. In Anlehnung an das Storchennest am Kamin ist der vordere Gebäudeteil gestaltet, er verfügt über einen modernen Verandazubau. Architekt Piber: „Das Haus muss auch moderne Wohnbedürfnisse abbilden können. Das leistet diese Veranda. Sie soll kein Widerspruch sein, sondern eine Ergänzung zum Objekt.“


„Unrettbares“ Objekt strahlt in neuem Glanz

In der Murgasse war Stephan Piber für die Revitalisierung des Gasthauses „Schwarzer Adler“ beziehungsweise dem früheren „Murstüberl“, einem Gasthaus mit Stadtmaueranteil, verantwortlich. Dieses teilweise abgebrannte und hofseitig um fast einen Meter abgesunkene Gebäude wurde von vielen Statikern als unrettbar klassifiziert, Piber wollte daran nicht glauben. Mit 200 Kubikmetern Beton wurden die tragenden Bauteile in sechs Metern Tiefe neu verankert, das Gebäude revitalisiert und um einen neuen Bauteil ergänzt. Das Gebäudeensemble direkt an der Stadtmauer beinhaltet nun 24 Wohnungen. Eine Rekonstruktion des Gebäudes ergab, dass es über Mauern aus dem 13. Jahrhundert verfügt und Gewölbesäulen teilweise aus dem 15. Jahrhundert stammen. Es wurden auch im Barock Gewölbe hinzugefügt.

Bei der Fassadengestaltung legte Piber Wert auf Schlichtheit. Die alte offene Arkadenstruktur, die längst zugemauert war, wurde oberflächlich freigelegt, sie scheint in Teilen in der mit Kalk in Kratzputzstruktur gestalteten Fassade durch. Die Fenster wurden einheitlich und fassadenbündig gestaltet. Dieser Fenstertypus des „Grazer Fensters“ mit nach außen aufgehenden Flügeln, der einem Gebäude nicht nur schlichte Eleganz verleiht, sondern auch das Himmelslicht an der Fassade spiegeln lässt, konnte man aufgrund des Gehsteiges im Erdgeschoßbereich nicht umsetzen. Mit einer sogenannten Geißfußkon-struktion lassen sich nun auch diese Fenster nach innen öffnen, optisch gehen sie jedoch mit den „Grazer Fenstern“ des ersten Stockes konform. Das Dach wurde mit alten und neuen Ziegeln in einer Mischdeckung ausgeführt.

Damit in den Wohnungen die Gewölbestrukturen frei sichtbar bleiben, wurden die Bäder als Boxen mit Oberlichten in den Raum gestellt. Die Bodenplatte in den erdberührten Räumen und Estriche auch zum aufsteigenden Mauerwerk schwimmend verlegt, an den Rändern dienen Entlastungsschlitze, die mit feinem Schotter befüllt werden, als natürliche Diffusionsfugen. Wo moderne Bauvorschriften den Originalzustand nicht ermöglichten, war Kreativität angesagt. So werden – wo möglich – vor die vorgeschriebenen Brandschutztüren die alten und restaurierten Flügeltüren vorgehängt.  Die Restaurierung habe immer wieder Erstaunliches zum Vorschein gebracht, erzählt Stephan Piber: In einer Wohnung stieß man auf eine Deckenmalerei aus dem 19. Jahrhundert, in einem Kamin fand man eine halbrunde Nische mit Perlenstab-Umrahmung und oberen Muschelabschluss und auf schmucke Deckenfriese. Für den Architekten stecken Revitalisierungen stets voller Überraschungen, begleitet mit der Erkenntnis: „Man muss sich vor allem vom Anspruch entfernen, alles auf einmal zu schaffen. Es reicht, wenn man den nachfolgenden Generationen eine gute Basis übergibt, auf der sie weiterarbeiten können.“ •

 

Fotos: Luef Light

Bürgermeister von Bad Radkersburg

Hofrat Mag. Karl Lautner